Freitag, 23. September 2022

Anlagekommentar August 2022 - Fed und EZB zeigen sich geldpolitisch aggressiver und propagieren einen steileren Zinserhöhungspfad

 Auch wenn sich die US-Konsumentenpreisinflation stärker als erwartet auf 8,5 Prozent reduziert hat, kommt vom Chef der US-Notenbank Federal Reserve System (Fed) Jerome Powell auf dem jährlichen Treffen der Notenbanker in Jackson Hole das Statement, dass der Leitzins weiter steigen und für eine längere Zeit auf höheren Niveaus bleiben werde. Viele Marktteilnehmer hatten infolge von Rezessionssorgen moderatere Töne erwartet, so dass eine Flucht aus Anleihen einsetzte und der US-Dollar eine kräftige Aufwertung hinnehmen musste.

Auch in der Eurozone zeigte sich die Europäische Zentralbank (EZB) in der geldpolitischen Herangehensweise aggressiver und propagierte einen steileren Zinspfad, so dass die Marktteilnehmer nun mit einer Leitzinserhöhung um 75 Basispunkte im September 2022 rechnen. Die Inflationsrate stieg weiter an und erreichte mit 9,1 Prozent ein neues Rekordhoch und die Rendite der zehnjährigen deutschen Staatsanleihe verdoppelte sich fast auf 1,5 Prozent.

Entwicklung der Anlagemärkte im August 2022

Die Kombination von weiter steigenden Gas- und Strompreisen und einer abfallenden Unternehmensstimmung fielen die Abgaben an den großen europäischen Aktienmärkten stärker als aus als in den USA. So musste der deutsche DAX Index -4,8 Prozent abgeben und der marktbreite Stoxx Europe 600 Index ging mit -5,3 Prozent nach unten. Auch der weltweite MSCI World Index musste einen Rückgang von -4,3 Prozent hinnehmen. Die US-Aktien konnten sich diesem Trends nicht entziehen, was beim Dow Jones Industrial Average Index zu einem Rückgang von -4,1 Prozent führte und auch die Wachstumswerte wie der NASDAQ 100 Index ging um -5,2 Prozent zurück.

DAX Entwicklung

Lediglich die Börsen in Asien halten sich dank niedrigerer Inflation und staatlicher chinesischer Stützung besser. So konnte der japanische NIKKEI 225 Index um +1 Prozent zulegen und der chinesische Hang Seng Index musste nur einen Rückgang von -1 Prozent hinnehmen.

An den Anleihemärkten setzte sich die Erholung weiter fort. Die Renditen stiegen weiter an, was sich beispielsweise mit der Verdopplung der zehnjährigen deutschen Staatsanleihe auf fast auf 1,54 Prozent widerspiegelte. Neben einer deutlich geringeren Volatilität sorgen die inzwischen wieder positiven Geldmarktzinssätze für einen stabilen Ertrag. Unter dem schwierigeren Marktumfeld litten allerdings die Risikoaufschläge von Unternehmensanleihen.

Dagegen wurden die Rohstoffmärkte vom einem Abwärtssog erfasst, der aus den Wachstumssorgen resultierte. Im Angesicht steigender Realzinsen ging der Goldpreis um -3,1 Prozent zurück. Das Rohöl notierte in Erwartung einer schwächeren Nachfrage um -7,4 Prozent niedriger und die Industriemetalle verloren zwischen 1-9 Prozent. Dagegen konnte sich der Kupferpreis, der gerne als Frühindikator für die wirtschaftliche Entwicklung angesehen wird, mit einem Rückgang von nur -1,1 Prozent gut behaupten.

Wie man mit Innovationen Lieferketten zum Laufen bringen kann

In den vergangenen beiden Jahren kam es bei zahlreichen Gütern zu Engpässen, von Toilettenpapier bis zu Halbleiterchips. Dies sorgte bei Verbrauchern und Unternehmen weltweit für Kopfschmerzen. Die Ursachen dafür sind vielfältig, es reicht von der Coronapandemie bis zur Deglobalisierung in einigen Sektoren und in jüngster Zeit auch noch der Krieg in der Ukraine. In der letzten Zeit waren Anzeichen dafür zu erkennen, dass sich der Druck auf die Lieferketten reduziert. Historisch gesehen bleiben die Belastungen dennoch hoch.

Diese Disruptionsphase hat jedoch auch positive Seiten: In vielen Fällen wird die Innovationen voran getrieben. Denn die Unternehmen möchten ihr Geschäftsmodell zukunftssicher machen und dafür investieren sie häufig in neue Technologien oder überarbeiten jahrzehntealte Lieferkettenstrategien.

Für die Anleger ergeben sich daraus einerseits Herausforderungen, andererseits Chancen

Kurzfristig dürften Die Gewinnmargen der Unternehmen dürften durch die Lieferprobleme kurzfristig unter Druck stehen, vor allem dann, wenn Unternehmen für Kostensteigerungen infolge von Lieferverzögerungen anfällig sind. Dazu gehören beispielsweise Transport- und Logistikunternehmen, Unternehmen aus dem verarbeitenden Gewerbe und Einzelhändler. Längerfristig eröffnen sich für Anlegern jedoch auch Chancen in verschiedenen Bereichen, von Robotik bis zu einer Diversifizierung der Lieferanten, da die Unternehmen ihr Geschäft krisenfester machen möchten.

  • In Innovation investieren
    Von einer Erhöhung der Lagerbestände bis zu einer effizienteren Verpackung von Lieferungen prüfen die Unternehmen, wie sie ihre Lieferketten durch Automatisierung und intelligente Datennutzung optimieren können. Dazu gehört auch ein stärkerer Einsatz von Robotern. Für viele Unternehmen steigen die Ausgaben im Zuge der Inflationsbeschleunigung. Mit Hilfe von Robotern lassen sich Routineaufgaben wie Lagermanagement und Auslieferungen verschlanken und gleichzeitig Arbeitskosten senken. Das Personal kann dann in Bereichen mit höherer Wertschöpfung eingesetzt werden, wo eine Automatisierung nicht sinnvoll ist. Außerdem besteht weiteres Investitionspotenzial. Derzeit werden laut den jüngsten Zahlen der International Federation of Robotics im verarbeitenden Gewerbe weltweit pro 10.000 Beschäftigte rund 126 Industrieroboter eingesetzt. An wichtigen Produktionsstandorten wie Südkorea und Singapur liegt die Roboterdichte im hohen einstelligen Bereich. Dies deutet auf Aufholpotenzial in Märkten wie China, USA und Frankreich hin, wo die Dichte sehr viel geringer ist.

Dichte von Robotern im verarbeitenden Gewerbe

  • Lebensmittelversorgung
    Auch in der Agrartechnologie finden umfangreiche Innovationen statt. Das Interesse an diesem Sektor ist durch die Sorgen um die Lebensmittelsicherheit gestiegen, welche durch den Ukrainekrieg und Covid-19 noch verschärft wurden. Anfang 2022 kletterten die Lebensmittelpreise auf Rekordhöchststände. Seither sind sie zwar wieder zurückgegangen, aber hohe Düngerpreise, ein ungünstiger Konjunkturausblick und Wechselkursbewegungen könnten die Aussichten belasten. Dies spricht zukünftig für höhere Investitionen in Agrartechnologie und Bewässerungsausrüstung. Die langfristigen Wachstumsaussichten des Sektors haben sich in den vergangenen Jahren verbessert, da immer mehr Länder ihre Lebensmittelversorgung krisenfester gestalten wollen, um nicht so stark von Naturereignissen wie Dürren oder Überschwemmungen in Mitleidenschaft gezogen zu werden, die durch den Klimawandel immer häufiger werden. Wagniskapitalinvestitionen in Agrartechnologie (worunter alles vom Einsatz von Robotern bis hin zu GPS Technologie fällt) schnellten 2021 um 61 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf die Rekordsumme von 11,3 Milliarden US Dollar in die Höhe (Quelle: Investment Monitor unter Rückgriff auf PitchBook-Daten, 8. Juli 2022).
  • Datensammlung
    Moderne Analysetechnologien können für Unternehmen bei der Planung und beim Risikomanagement hilfreich sein. Die jüngsten Lieferkettenverwerfungen haben unter anderem gezeigt, dass nur sehr wenige Unternehmen alle Stationen ihrer Lieferketten im Blick haben. In einer McKinsey-Umfrage aus dem Jahr 2021 zeigte sich, dass Unternehmen, die gut in der Covid-19-Pandemie zurechtgekommen waren, nach eigenem Bekunden mit 2,5-fach so hoher Wahrscheinlichkeit auch schon vorher auf moderne Analysetechniken zurückgegriffen hatten (Quelle: McKinsey, 23. November 2021). Das bedeutet, dass Unternehmen, welche in moderne Analysetechniken investieren, womöglich besser dazu in der Lage sind, mit Umbrüchen und konjunkturellem Gegenwind umzugehen. Weil die Unternehmen mehr und besser aufbereitete Daten benötigen, steigt auch das Interesse an Datenzentren. Aus Anlegersicht bieten Datenzentren Diversifizierungsmöglichkeiten und ein Engagement in Vermögenswerten mit langfristigen Wachstumstreibern.
  • Lieferketten verändern sich
    Über die technologischen Entwicklungen hinaus, werden sich breite angelegte Änderungen der Lieferstrategien einstellen. Durch die jüngsten Verwerfungen können die Unternehmen unter anderem nicht mehr so flexibel auf Veränderungen der Konsumnachfrage oder auf geopolitische Ereignisse wie die handelspolitischen Spannungen zwischen den USA und China, Großbritanniens Ausscheiden aus der Europäischen Union oder den Krieg in der Ukraine reagieren. Deshalb geben einige Unternehmen die seit Jahrzehnten im Supply-Chain-Management geltende Philosophie der Just-in-Time-Produktion auf und setzen verstärkt auf eine Just-in-Case-Strategie, bei der sie umfangreichere Lagerbestände vorhalten. Andere diversifizieren ihre Lieferanten und intensivieren das Nearshoring, verlagern also ihre eigene Produktion näher an die Region, in der die Nachfrage besteht, oder beziehen Lieferungen aus der näheren Nachbarschaft. Durch diesen Trend zum Nearshoring könnte das Interesse an lokalen Lagerhäusern steigen, wenn immer mehr Unternehmen ihre Lieferkette krisenfester gestalten wollen, um sich gegen Engpässe aufgrund geopolitischer Krisen oder eine Neuauflage der coronabedingten Engpässe abzusichern. In manchen Bereichen wollen auch die Regierungen die Abhängigkeit ihrer jeweiligen Länder von wichtigen Bauteilen aus dem Ausland verringern. Im August 2022 wurde in den USA ein Gesetz verabschiedet, das milliardenschwere Subventionen für Halbleiterproduktion und -forschung im Inland vorsieht. Die Europäische Union und andere Regionen haben ähnliche Pläne zum Aufbau einer eigenen Chipindustrie angekündigt. Langfristig kann dies zur Bekämpfung der globalen Engpässe bei Chips beitragen, die sich aus der steigenden Nachfrage nach Autos und anderen Produkten, für die die Chips benötigt werden, ergeben. Unternehmen, die diese Herausforderungen entlang der Lieferketten jetzt meistern, könnten besser positioniert sein, um künftige Disruptionsphasen zu überstehen oder sogar davon zu profitieren.

Zusammenfassend kann man sagen, dass es für Anleger unter strategischen Gesichtspunkten überlegenswert sein kann, was Lieferkettenprobleme für ihr Portfolio bedeuten können. Dies gilt sowohl in Form kurzfristiger Disruptionen als auch längerfristiger Chancen, die sich aus breiteren strukturellen Veränderungen im verarbeitenden Gewerbe und der Logistik und den entsprechenden Technologien ergeben könnten.

Ausblick auf die zukünftige Kapitalmarktentwicklung

In einem Umfeld, dass derzeit durch unüblich viele Unwägbarkeiten geprägt ist, fungieren mittelfristige Szenarien als ein Sicherheitsanker. So kann in einem vernünftigen Szenario, bei dem zu Grunde gelegt wird, dass die überhöhte Inflationsphase in spätestens drei Jahren endet, kann eine wirtschaftliche Entwicklung ähnlich wie vor der Pandemie verlaufen. Dies bedeutet, dass das globale Wirtschaftswachstum verhalten ist und die Inflation weitgehend unter Kontrolle ist. Die aktuellen Anleiherenditen in Europa entsprechen etwa diesem mittelfristigen Szenario, während sie in den USA derzeit leicht über dem mittelfristigen Gleichgewichtswert liegen.

An den Kapitalmärkten wird derzeit, anders als noch vor einigen Monaten, davon ausgegangen, dass es den führenden Notenbanken gelingen wird, die Inflation auf ihr Ziel von 2 Prozent zurückführen. Diese veränderte Markteinschätzung zeigt sich etwa im Rückgang der Inflationserwartungen an den Anleihemärkten. Dies kann dahingehend interpretiert werden, dass viele Investoren mittlerweile etwas weniger auf die kurzfristigen wirtschaftlichen Verwerfungen als auf eine Rückkehr von Normalität in der mittleren Frist fokussiert sind. Die Aktienrallye im Juli belegt zudem, dass am Kapitalmarkt weitgehend auf ein Soft-Landing gesetzt wird.

Deshalb sind die die aktuellen Anleiherenditen im Vergleich zu Geldmarktanlagen interessanter. Zudem haben sich mit der nachlassenden konjunkturellen Dynamik die Aussichten für Anleihen verbessert. Bei Zukäufen sollten kürzere bis mittlere Laufzeiten, mit dem Ziel, Anleihen auf Verfall zu halten bevorzugt werden.

Anlagemärkte Entwicklung

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Dieser Bericht dient ausschließlich zu Informationszwecken und die Angaben wurden mit Sorgfalt zusammengestellt. Für die Richtigkeit kann jedoch keine Gewähr übernommen werden. Allein verbindliche Grundlage für den Erwerb von Investmentfondsanteilen sind die jeweiligen Verkaufsprospekte und die jährlichen Rechenschaftsberichte. Diese sind Grundlage für die steuerliche Behandlung der Fondserträge. Die auf Fondsebene anfallenden Kosten (z.B. die Verwaltungsvergütung) wurden berücksichtigt. Die auf Kundenebene anfallenden Kosten (Ausgabeaufschlag und Depotkosten) sind ggfs. nicht berücksichtigt. Bei Fremdwährungen kann die Rendite infolge von Währungsschwankungen steigen oder fallen.

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Erläuterungen zu den Berechnungsgrundlagen:
Die Entwicklungen bzw. Endbeträge und Volatilitäten werden auf EUR-Basis berechnet. Grundlage für die Berechnung der Volatilität: Monatliche Returns, logarithmiert, annualisiert. Eventuelle Ausschüttungen bei Investmentfonds werden wieder angelegt. Die Wertentwicklung basiert auf 100 Prozent des Kapitaleinsatzes, die Wertentwicklungen p.a. und Volatilitäten werden aus dem gesamten der Auswertung zugrundeliegenden Zeitraum (wie angegeben) bestimmt.

Externe Quellen:

  • Kategorie-Durchschnitte: monatliche Berechnung durch EDISOFT GmbH über das Fondsuniversum der FVBS-Datenbank
  • Zinsen (Festgeld, Sparbuch): monatliche Durchschnittswerte der Dt. Bundesbank aus Meldungen deutscher Kreditinstitute
  • Inflation: monatliche Zahlen des Statistischen Bundesamts
  • Goldpreis: offizieller Feinunzen-Preis/London
  • Bereich “Für die Anleger ergeben sich daraus einerseits Herausforderungen, andererseits Chancen“ von  Allianz Global Investors GmbH

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Donnerstag, 15. September 2022

Technologieaktien - Steht ihnen ein neuer Höhenflug bevor?

 Technologie-Aktien wurden im letzten Jahr wie viele andere US-Aktien als relativ teuer eingestuft. Das schnelle Wachstum und die hohe Gewinne ließen die US-Märkte auf immer neue Höchststände steigen. Wen die Bewertungen und das Dollarrisiko in 2021 von einem Kauf abhielt, konnte sich in diesem Jahr bestätigt fühlen. Im Folgenden soll dieses Thema näher erläutert werden.

Die steigenden Leitzinsen ließen vor allem Wachstumswerte in den USA stark fallen

Im aktuellen Marktumfeld sollten sich Anleger aber wieder etwas genauer mit Technologieaktien auseinandersetzen. Nach dem Platzen der Dotcom-Blase rund um die Jahrtausendwende brauchte der Technologiesektor beinahe zehn Jahre, um das Vertrauen von Anlegern zurückzugewinnen. Mit dem Siegeszug der Tech-Riesen Facebook, Apple,
Amazon, Netflix und Google – häufig als sogenannte „FAANG“-Aktien zusammengefasst – änderte sich der Blick auf die Branche. Im Vergleich zum Jahr 2000 waren Technologiewerte nicht mehr nur aufgrund von starkem Wachstum und hohen Gewinnerwartungen interessant. Gerade die “FAANG”-Aktien erreichten schnell eine marktbeherrschende Stellung und überraschende Stabilität. Gleichzeitig war die Technologiebranche DER Innovationstreiber des letzten Jahrzehnts. Die Verbreitung des Internets und des Smartphones haben den Alltag der Menschen verändert. Nahezu jede Branche ist bereits vom technologischen Fortschritt betroffen oder wird es noch sein. Daten sind zu einem der wichtigsten Wirtschaftsgüter geworden und der Trend zu mehr Digitalisierung ist schon lange nicht mehr aufzuhalten.

10 größten Börsengänge weltweit nach ihrem Emissionsvolumen

Durch das Datensammeln werden Menschen untereinander, aber auch mit den Unternehmen und ihren Produkten noch stärker vernetzt. So können Produkte und Dienstleistungen immer effizienter hergestellt bzw. erbracht werden. Den Siegeszug der Technologiebranche konnten Investoren auch gut an den Aktienkursen ablesen. Der bekannte US-Technologieindex NASDAQ jagte bis Ende 2021 von einem Rekord zum Nächsten und ließ andere Branchenindizes weit hinter sich. Seit Jahresanfang drehte sich aber das Bild und selbst Schwergewichte wie Microsoft oder Apple gerieten zwischenzeitlich deutlich unter Druck. Amazon lag im Juni sogar fast 40 Prozent unter dem Allzeithoch von November 2021. Tatsächlich hat kaum ein anderer Sektor im ersten Halbjahr so viel verloren wie die lange Zeit heiß gelaufenen Technologie-Aktien.

Doch was löste den Ausverkauf bei US-Wachstumsaktien aus?

Während Ukraine-Krieg, Coronakrise und hohe Inflation beinahe alle Aktienmärkte negativ beeinflussten, wurden die sogenannten Wachstumswerte zusätzlich von der Notenbankpolitik in den USA getroffen. Mit Blick auf die stark anziehende Inflation reagierte die Federal Reserve deutlich rascher und stärker als die EZB. Von nahe 0 Prozent wurden die Leitzinsen allein in 2022 um 2,25 Prozent angehoben. Gerade die Bewertungen der schnellwachsenden Technologieunternehmen sind allerdings stark von den erwarteten Erträgen in der Zukunft abhängig. Steigen nun die Zinsen, fallen auch die Bewertungen der zukünftigen Gewinne und die betroffenen Aktien geraten in eine Abwertungsspirale. Abschreiben sollte man Technologieaktien aber auf keinen Fall – gerade im aktuellen Marktumfeld.

Bei den sehr hohen Inflationsraten von 8,5 Prozent in den USA und 8,9 Prozent in der Eurozone können viele Tech-Unternehmen ihre Vorteile ausspielen: Sie verfügen über eine starke Preissetzungsmacht und können steigende Kosten relativ einfach an ihre Kunden weitergeben. Die (beinahe) Monopolstellung einiger Unternehmen ist aber nicht der einzige Vorteil. Im Softwarebereich sind inzwischen viele Konditionen von vorneherein an die Inflation gebunden. Bei der Hardware profitieren Hersteller von der ungebremsten Nachfrage nach ihren Bauteilen. Passendes Beispiel sind Halbleiter, die Kernbestandteile moderner Technologie. Der Lieferengpass während der Coronakrise hat der Welt bereits vor Augen geführt, wie abhängig ganze Industrien von den kleinen Mikrochips sind. Halbleiterhersteller können auch in 2022 den Hunger der Welt nach ihren Produkten kaum stillen.

Daran haben auch der Ukraine-Krieg, steigende Leitzinsen oder Inflation nichts geändert

Apropos Lieferketten: Hier sind Technologietitel häufig weniger stark betroffen als klassische Industriewerte. Genauso wie von den hohen Rohstoffkosten. Für eine raschere Erholung der US-Technologieaktien im Vergleich zu Europa, könnte auch die höhere Flexibilität der Notenbank führen. Die Fed hat zwar zuletzt betont, dass die Inflationsbekämpfung im Vordergrund ihres Handelns stehen soll und dafür auch eine Eintrübung der Wirtschaft in Kauf genommen wird. Experten gehen aber trotzdem davon aus, dass die Fed eine möglichst sanfte Landung für die Konjunktur erreichen möchte. Die erwarteten und bereits eingepreisten Zinserwartungen könnten sich also womöglich als harmloser herausstellen als aktuell befürchtet.

Während die USA eine relativ starke Erhöhung der Zinsen verkraften kann, muss die EZB mit Rücksicht auf Länder wie Italien und Spanien Vorsicht walten lassen. Auch ein Absenken der Zinsen halten Experten für die USA schon im ersten Halbjahr 2023 für möglich, was die heimischen Aktienmärkte befeuern sollte. Bei der Auswahl der richtigen Aktien, Fonds oder ETFs empfehlen Experten aber genau hinzuschauen. Viele der genannten Vorteile treffen nur auf die „erste Reihe“ der Technologieaktien zu. Also etablierte Unternehmen mit marktbeherrschender Position, soliden Unternehmensfinanzen und möglichst hohen Cash-Beständen. Kleinere Wachstumswerte der zweiten und dritten Reihe könnten auch aufgrund von Problemen bei der Finanzierung noch länger volatil bleiben. Die US-Notenbank kündigte nämlich Anfang des Jahres nicht nur steigende Leitzinsen an, sondern auch den Stopp der Liquiditätsversorgung.

Es werden also keine Anleihen mehr am Markt aufgekauft und damit die Kreditkosten der Unternehmen verteuert. Die „Kleinen“ trifft dies in der Regel deutlich härter als die „Blue Chips“. Der Fokus von Anlegern sollte also derzeit auf Marktführern in langfristigen Wachstumsbranchen liegen. Dazu gehören die großen Plattformanbieter, aber auch Sektoren wie Big Data, Robotik, KI und Cloud-Computing. Wer bei der Anlage auf Fonds oder ETFs setzt, sollte dringend darauf achten, dass einzelne Werte in den Portfolios kein zu starkes Übergewicht haben. Statt der gewünschten Diversifikation handelt man sich sonst ein erhebliches Klumpenrisiko ein, das die Schwankungen im Depot unnötig erhöht.

Fazit

In keiner anderen Branche sind in der Vergangenheit die Gewinne so stark gestiegen. Dass sich an diesem Trend etwas ändert, erscheint angesichts des starken Digitalisierungsdrangs in allen Branchen unwahrscheinlich. Technologieaktien sind aktuell gleich aus drei guten Gründen attraktiv: moderate Bewertungen, steigende Gewinne und gute Aussichten. Spielverderber könnte hier aber der Dollar sein. Dieser befindet sich im Vergleich zum Euro auf einem Jahreshoch und würde bei einer Abschwächung europäischen Anleger die Rendite
verhageln. Bei der Gewichtung von US-Titeln sollten Anleger daher grundsätzlich vorsichtig vorgehen und dabei immer auch die Währungsrisiken des Gesamtportfolios im Auge behalten.

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