Donnerstag, 28. April 2022

Anlagekommentar März 2022 - Im Ukrainekrieg ist keine rasche Lösung in Sicht und die rasant steigenden Preise setzen die EZB unter Zugzwang

 Die Kampfhandlungen in der Ukraine hielten unvermindert an. So hat sich auch die Hoffnung auf eine schnelle Verhandlungslösung, welche die Finanzmärkte kurzfristig immer wieder nach oben trieb, sich zum Monatsende zerschlagen. Während die Europäer zauderten und den Öl- und Gashandel aus den Sanktionen gegen Russland ausnahm, verhängten die USA einen Einfuhrstopp für russisches Öl. Volatile Kapitalmärkte, rasant steigende Zinsen und neue Höchststände der Energierohstoffe kennzeichneten den März 2022. Die Aktienmärkte konnten sich dennoch von ihren Tiefständen vom Monatsanfang deutlich verbessern. Neben den geld- und geopolitischen Risiken stand auch die Sorge vor einem Wachstumseinbruch Chinas im Fokus.

Entwicklung der Anlagemärkte im März 2022

Seit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine sind fünf Wochen vergangen, in denen aus reiner Kapitalmarktperspektive anfänglich große Unsicherheit geherrscht und Kursrückschläge an den Börsen zu verzeichnen waren. Seit knapp zwei Wochen haben sich aus reiner Kapitalmarktperspektive wiederum der Nachrichtenfluss und die damit verbundenen globalen Unsicherheiten bezüglich der Ukraine nicht weiter verschlechtert.

So konnte der Weltaktienindex MSCI World  mit +3,5 Prozent zulegen. Auch die amerikanischen Werte konnten diesem Trend folgen, was beim Dow Jones Industrial Average Index mit +2,3 Prozent zu buche schlug, auch der der marktbreite S&P 500 Index schaffte +3,6 Prozent Zuwachs und der US-Technologieindex NASDAQ 100 Index kam sogar auf +4,2 Prozent. In Asien gab es eine breite Spanne mit unterschiedlichen Vorzeichen: Der japanische NIKKEI 225 Index kam mit +4,9 Prozent ebenfalls gut davon, während der Hang Seng Index dagegen mit -3,2 Prozent tief rot den Monat beendete. Auch die europäischen Aktienmärkte entwickelten sich sehr unterschiedlich.

Anlagemärkte Entwicklung

So kam der DAX Index mit -0,3 Prozent etwas unter die Räder, wogegen  Großbritanniens FTSE 100 Index ein Zuwachs von +1,3 Prozent vermelden konnte und Frankreichs CAC 40 Index mit +0,02 Prozent nur auf der Stelle getreten ist. Spaniens IBEX 35 Index hatte einen ähnlichen Verlauf wie der DAX und beendete mit -0,4 Prozent den März. Heftige Verluste von über -6 Prozent verzeichnete dagegen der SSE Composite Index. Der Caixin Einkaufsmanagerindex fiel auf ein Zweijahrestief, was auf diesem Niveau einen kräftigen Wachstumseinbruch signalisiert. Japans NIKKEI 225 Index konnte sich dagegen mit einem Zuwachs von +4,9 Prozent von diesem Trend absetzen. Japans Zentralbank konstatierte, dass man auch künftig an der ultralockeren Geldpolitik festhalten wolle.

Den Rentenmärkten machte weiter die Zinssteigerung der Notenbanken zu schaffen. Dies drückte auf die Kurse und verunsicherte die Finanzmaktteilnehmer. Dagegen ging es an den Rohstoffmärkten weiter aufwärts. Der Ölpreis stabilisierte sich nach seinem 14-Jahreshoch bei 139 US-Dollar je Fass um die 100-Dollar-Marke und die Preise für Industriemetalle und Agrarrohstoffe stiegen merklich an. Auch an den Devisenmärkten war eine anhaltende Stärke des US-Dollars zu beobachten. Ausgehend von den Erwartungen der Marktteilnehmer, dass die Sanktionen und der Ukrainekrieg die Wirtschaften in Europa stärker negativ beeinflussen als die amerikanische Volkswirtschaft stieg der handelsgewichtete Dollarwert um 1,7 Prozent an, während das Pendant für den Euro 1,8 Prozent abgab.

Die EZB steht durch die rasant steigenden Preise unter Zugzwang

Im Euroraum stieg die Inflationsrate auf ein neues Rekordhoch von 7,5 Prozent und setzte die europäische Zentralbank unter Druck. Daraus folgend kündigte die Europäische Zentralbank (EZB) überraschend an, dass Anleihekaufprogramm bereits im dritten Quartal 2022 auslaufen zu lassen. Dadurch bereitete die EZB einem Ausverkauf bei europäischen Staatsanleihen den Boden. Aus dieser Überraschung folgte, dass die Rendite der zehnjährigen deutschen Staatspapiere um über 0,4 Prozent nach oben schoss. Aus der derzeitigen Marktlage sollten Zinserhöhungen jedoch nicht vor dem vierten Quartal 2022 vorgenommen werden. Denn die Geldhüter wollen zunächst den Einfluss des Ukrainekriegs auf die Realdaten in den kommenden Wochen abwarten. Derzeit zeigt sich allerdings kaum eine Eintrübung. Die Einkaufsmanagerindizes für Industrie und Dienstleistungen gingen zwar leicht zurück, bewegten sich jedoch nach wie vor solide im Expansionsbereich. Die Arbeitslosenquote fiel im Februar 2022 sogar auf ein Rekordtief von 6,8 Prozent.

Seit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine sind fünf Wochen vergangen, in denen aus der reinen Kapitalmarktperspektive anfänglich eine große Unsicherheit geherrscht hat und Kursrückschläge an den Börsen zu verzeichnen waren. Seit knapp drei Wochen haben sich der Nachrichtenfluss und die damit verbundenen globalen Unsicherheiten bezüglich der Ukraine aus reiner Kapitalmarktperspektive nicht weiter verschlechtert. Da Kapitalmärkte auf Veränderungen im Nachrichtenfluss und der wahrgenommenen Risiko-
und Unsicherheitslage reagieren, ist eine gewisse Erholung der Aktienkurse und ein Nachlassen des Goldpreises in den vergangenen Tagen nachvollziehbar. Aus der Kapitalmarktperspektive ist es zum gegenwärtigen Zeitpunkt von zentraler Bedeutung, dass sich der Konflikt nicht über die Ukraine hinaus ausweitet, wofür es derzeit kaum Anhaltspunkte gibt. Anmerkung: Die Nüchternheit der Analyse soll nicht über das Leid hinwegtäuschen, welches die ukrainische Bevölkerung gegenwärtig erfährt. In einem solchen Szenario kann der Konflikt für die Kapitalmärkte als nicht weiter von herausragender Bedeutung angesehen werden. Es bleibt allerdings das Restrisiko, dass weiter steigende Energiepreise und Engpässe in der Versorgung (hauptsächlich in Europa) einen Einfluss auf die Konjunktur und das Konsumentenvertrauen haben können.

Die Verfügbarkeit von Rohstoffen außerhalb des Energiekomplexes ist für ausgewählte Industrien zentral. So benötigt beispielsweise die Halbleiterindustrie Neon, dass zu 90 Prozent aus der Ukraine kommt, Palladium und andere Rohstoffe. Die Automobilindustrie verarbeitet Platin und Palladium. Mangelnde Verfügbarkeit ausgewählter Komponenten aus der Ukraine haben zudem bereits zu ersten Produktionsunterbrüchen bei Autoherstellern in Westeuropa geführt, wobei die Lieferketten der Automobilhersteller weit anfälliger sind als in der Industrie sonst üblich. So wird der Krieg in der Ukraine die Kapitalmärkte hauptsächlich durch Veränderungen der Energie- und Rohstoffpreise beeinflussen. Ein Friedensabkommen und ein starker Rückgang der Notierungen von Energie (Erdöl und Erdgas) wären positive Signale, entsprechend negativ wären massiv höhere Energie- und Rohstoffpreise und erneut steigende Unsicherheiten aufgrund des Kriegsverlaufs.

In der Summe bleiben die wirtschaftlichen Risiken, welche von einem auf die Ukraine begrenzten Konflikt ausgehen könnten, in Westeuropa höher als in Amerika und Asien. Denn Europas Banken sind beispielsweise zudem am stärksten von der Isolation Russlands aus dem globalen Finanzsystem betroffen. Nüchtern betrachtet werden die Gewinne global führender Unternehmen durch den Ukrainekrieg in der Summe wenig beeinflusst. Mittelfristig wird auch die Wirtschaftsleistung der Welt, wenn man das wenig bedeutende Russland ausklammert, vom Krieg nicht beeinflusst. Damit kann mittelfristig weiterhin von einem konstruktiven Szenario für die Weltwirtschaft ausgegangen werden.

Ausblick auf die zukünftige Kapitalmarktentwicklung

Nachdem das Marktgeschehen bis vor kurzem vorrangig durch Risiken geprägt wurde, haben sich die Aktienmärkte in den letzten Tagen deutlich erholt. Von den klar identifizierbaren Tiefs in Europa am 7. März 2022 und einer sich hinziehenden Bodenbildung in den USA, kann sich die Stimmung an den Finanzmärkten stabilisieren. Dazu kommt, dass China nach einem Ausverkauf vor allem von Technologieaktien die Börsen stützen will, hat die Anlagemärkte dort beruhigen können. Zwei Trends konnten in diesem Jahr das Börsengeschehen bisher prägen. Der dominante Trend in den USA und in Europa war das Ende der Outperformance von „Growth"-Aktien (Wachstumsaktien) im vergleich zu günstiger bewerteten „Value"-Aktien. Als weiterer Einflussfaktor für das Börsengeschehen hat der Krieg in der Ukraine, besonders der damit verbunden vorübergehend sehr starke Anstieg der Energiepreise, die Börsen belastet, vor allem jene in Europa. Damit sind auch eher Korrekturen zu erwarten, wobei Rückschläge als Einstiegsmöglichkeit genutzt werden können.

Auf der politischen Agenda stehen unter anderem die Präsidentschaftswahlen in Frankreich im April, die Zwischenwahlen in den USA im November sowie mögliche Auswirkungen im Zuge der Invasion von Russland in der Ukraine. Eine zentrale wirtschaftliche Unwägbarkeit bleibt die Inflationsentwicklung in den USA, wobei diese durch den Ukraine-Konflikt etwas in den Hintergrund rückt. Dazu bleiben die seit Monaten angebotsseitigen Störungen, wie ein starker Anstieg der Erdgaspreise, Engpässe und Lieferverzögerungen bei Komponenten, Zwischenprodukten und im Transportwesen, was die Weltwirtschaft insgesamt und ausgewählte Unternehmen belasten. Allerdings werden die positiven Grundtrends dadurch nicht in Frage gestellt.

Kurzfristig hat eine gewisse Entspannung an den Energiemärkten, bei den Transportkosten und in den Lieferketten leicht positive Auswirkungen. Die Güterpreisinflation, die vor allem in den USA präsent ist und sich auch global auswirkt, wird die Märkte noch einige Zeit beschäftigen. Selbst bei anhaltend hoher Güterpreisinflation wäre eine markante Straffung der US-Geldpolitik unwahrscheinlich, da damit in der Wirtschaft insgesamt erheblicher Schaden entstehen würde. In der Summe bleibt die Anlagestrategie weiter vorwiegend auf Aktien und Unternehmensanleihen ausgerichtet. Regional sollte man aktienseitig auf Europa und die USA weiterhin fokussiert bleiben. Die Risiken im aufstrebenden Asien haben abgenommen, auch was die Marktstimmung betrifft. Dadurch kann man dort in den kommenden Monaten mit einem ähnliches Ertragsprofil wie in westlichen Industrieländern rechnen.

DAX Entwicklung

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Erläuterungen zu den Berechnungsgrundlagen:
Die Entwicklungen bzw. Endbeträge und Volatilitäten werden auf EUR-Basis berechnet.
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Externe Quellen:

  • Kategorie-Durchschnitte: monatliche Berechnung durch EDISOFT GmbH über das Fondsuniversum der FVBS-Datenbank
  • Zinsen (Festgeld, Sparbuch): monatliche Durchschnittswerte der Dt. Bundesbank aus Meldungen deutscher Kreditinstitute
  • Inflation: monatliche Zahlen des Statistischen Bundesamts
  • Goldpreis: offizieller Feinunzen-Preis/London

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Donnerstag, 21. April 2022

Geldanlagen im 1. Quartal 2022 - Der 24. Februar 2022 ist ein Datum, das die Welt verändert

 Im Jahr 2022 war das erste Quartal zweigeteilt. So dominierte zu Jahresbeginn eine  Zuversicht. Der DAX markierte mit 16.271 Punkten am 4. Januar 2022 einen historischen Höchstkurs. Ab Februar wurden die geopolitischen Risiken des sich zuspitzenden Ukraine Konflikts bewertet. Der Beginn des Ukrainekrieges am 24. Februar 2022 wirkte sich als Katalysator eines grundsätzlich negativen Sentiments aus. In der Folge kam es zu einem Tiefstkurs des DAX am 8. März 2022 bei 12.831 Punkten. In Folge des Konflikts nahm die Zuversicht in der Realwirtschaft, bei Verbrauchern und Finanzmarktteilnehmern markant ab. Dabei spielten die Aspekte Versorgungssicherheit im Rohstoffsektor und Anstieg der Preisinflation als auch damit assoziierte Zinserhöhungen prominente Rollen. Im weiteren Verlauf des Quartals kam es zu einer Stabilisierung an Aktienmärkten, jedoch nicht in der Realwirtschaft und an den Zinsmärkten, die auf Hoffnungen diplomatischer Lösungen basieren. Das Thema Corona-Pandemie spielte im ersten Quartal 2022 eine untergeordnete Rolle.

Europa Verlierer der Krise

In dieser aktuellen geopolitischen Krise war und ist die Ukraine der größte Verlierer. Menschenleben gingen und gehen verloren, Strukturen wurden und werden zerstört, Perspektivlosigkeit ist ausgeprägt. Russland zahlt im Hinblick auf die Folgen der westlichen Sanktionspolitik einen hohen Preis (EBRD BIP-Schätzung Russland 2022 eine Rückgang von -10 Prozent). Die Eurozone und die EU sind die am drittstärksten Betroffenen. Zum Zeitpunkt des Verfassens des Quartalsreport ist das Ausmaß der makroökonomischen Schäden hinsichtlich der geopolitischen Unwägbarkeiten bezüglich der Versorgungssicherheit (Verfügbarkeit und Lieferketten), der Teilung der Welt (Deglobalisierung) und der Preisentwicklung nicht vollständig abschätzbar. Zuletzt nahmen die deutschen Verbraucherpreise im Jahresvergleich um mehr als 7 Prozent zu. Damit wurde der höchste Anstieg seit 1981 markiert. Insbesondere für Europa ist der 24. Februar 2022 ein Datum, das die Welt veränderte. Die Risikocluster für die wirtschaftliche Entwicklung haben so stark wie nie zuvor in der Nachkriegsgeschichte zugenommen.

Wer am stärksten von der Globalisierung profitiert

Ins Auge gefasste staatliche Interventionen und Subventionen können in Teilen stabilisieren, jedoch die Schäden nicht neutralisieren. Als Konsequenz der Interventionen und Subventionen werden bei ohnehin prekären Haushaltslagen weiter hohe Staatsdefizite notwendig sein. Anders als in den USA und dem UK, wo es zu Zinserhöhungen kam, steht dieses Thema in der Eurozone voraussichtlich erst im vierten Quartal 2022 an. Die Kapitalmärkte haben aber bereits reagiert. So legte der Zins der 10-jährigen Bundesanleihe von circa -0,18 Prozent auf aktuell +0,58 Prozent zu. Der Preis der Defizitpolitik in den öffentlichen europäischen Haushalten erhöht sich entsprechend. Der 24. Februar 2022 erodierte die Stabilität Europas massiv. Die Kunst der Diplomatie entscheidet über den weiteren Verlauf der Wirtschaft und der Märkte.

USA - In Teilen Gewinner der Krise

Die Vereinigten Staaten waren und sind in Teilen Gewinner der Krise. Geopolitisch hat sich der Westen in einer vor Monaten noch kaum vorstellbaren Solidarität hinter der Krisenführung der USA versammelt. Auch sind die USA geografisch von dieser Krise nicht betroffen. Messbar war das unter anderem an dem Anstieg des USD gegenüber anderen Währungen in der Eskalationsphase der Krise. Derzeit wird dieser Anstieg des USD an den Devisenmärkten in Teilen korrigiert. Das von den USA initiierte Sanktionsregime gegenüber Moskau beinhaltet mittelfristig Risiken. So warnte der IWF am 31. März 2022, dass es zu Fragmentierungen des globalen Finanzsystems durch kleinere Währungsblöcke kommen könne, die die Rolle des USD als Leitwährung verwässern könnten.

Wirtschaftlich bot und bietet sich gegenüber Europa ein differenziertes Bild. Das Thema Energie belastet nicht vergleichbar zu Europa, da die Versorgungssicherheit gewährleistet ist. Der Preisanstieg der fossilen Brennstoffträger hat jedoch eine belastende Wirkung auf die US-Gesamtwirtschaft. Nicht abschätzbar sind derzeit die negativen Folgen bei anderen Rohstoffen für die USA (seltene Erden, Nickel etc.). Die Wiederbewaffnung der Welt nützt darüber hinaus der US-Wirtschaft. Vor diesem Hintergrund einer minderen Belastung der US-Wirtschaft hat die Federal Reserve erwartungsgemäß den Leitzins im 1. Quartal 2022 um 0,25% angehoben und weitere Zinserhöhungen in Aussicht gestellt.

Schwellenländer gehen eigenen Weg

Die Dynamikverluste der Weltwirtschaft wirkten und wirken sich in den Schwellenländern belastend aus. Die für die Weltwirtschaft bedeutenden Länder halten sich weitgehend aus der Ukraine-Krise heraus. So nehmen folgende Länder an den westlichen Sanktionspolitiken nicht teil: Türkei, Israel, Libanon, Syrien (Öl/Gas), Irak (Öl/Gas), Iran (Öl/Gas), Saudi-Arabien (Öl, Gas) Emirate (Öl, Gas), Pakistan, Indien, China, Vietnam, Argentinien (Agrarrohstoffe), Brasilien (Agrarrohstoffe, Erze), Venezuela (Öl, Gas), Mexiko (Öl, Gas), aber auch Nicaragua und Panama, um einige aufzuführen.

Für Nichtteilnehmer an den Sanktionen ergibt sich nicht nur ein soliderer Zugang zu Rohstoffen, sondern auch die Chance auf Preisabschläge gegenüber Weltmarktpreisen (China, Indien). Gegen den Trend der westlichen Zentralbankpolitik senkte Chinas Notenbank den Leitzins im Januar 2022 von 3,80 Prozent auf 3,70 Prozent. China wirkte damit auf die asiatische Region stabilisierend.

Märkte: Geopolitik bestimmte und bestimmt

Die Kapitalmärkte bewegten sich in der Taktung der Geopolitik. Die Aktienmärkte verloren nach guten Jahresstart an Boden, um sich im Zuge der diplomatischen Bemühungen zu stabilisieren. Der DAX markierte mit 16.271 Punkten am 4. Januar 2022 einen historischen Höchstkurs. Der Tiefstkurs des DAX lag am 8. März 2022 bei 12.831 Punkten. Aktuell notiert der DAX um 14.550 Punkte. Die Zinsen zogen an den Kapitalmärkten an. So legte die Rendite der 10-jährigen Bundesanleihe vom Jahresbeginn bei -0,18 Prozent auf derzeit +0,58 Prozent zu. Die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihe stieg in dem identischen Zeitraum von 1,51 Prozent auf 2,32 Prozent. Der Ölpreis (Brent) stieg seit Jahresanfang von 79 USD in der Spitze bis auf 129 USD (9, März 2022), um aktuell bei 107 USD zu notieren. Die Entwicklung der Geopolitik wird weiter primär die Märkte bestimmen.

Fazit
Das erste Quartal 2022 hat beachtliche Turbulenzen auf unterschiedlichsten Ebenen mit sich gebracht. Die regelbasierte Ordnung hat enormen Schaden genommen. Die regelbasierte Ordnung ist Grundlage des globalen Wirtschaftsverkehrs als auch der internationalen Politik. Das erodierte Vertrauen in das System hat strukturellen Schaden ausgelöst, der das Vertrauen in das System belastet. Die daraus mittel- und langfristigen Folgen werden nicht nur konjunkturell markant sein. Neue Strukturen werden sich in der Politik, der Finanz- als auch in der Realwirtschaft aus dieser Not heraus etablieren. Diese Veränderungen werden die Charakteristika einer multilateralen Ordnung sein, die zu Lasten der jetzt dominanten Ordnung gehen. Der 24. Februar 2022 ist das Datum, das die Welt verändert.

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Donnerstag, 14. April 2022

Russland-Ukraine-Konflikt - Politik und Wirtschaft stehen vor massiven Herausforderungen - eine Einordnung

 

Die positiven Ausblicke der internationalen und nationalen Wirtschaftsinstitute für das laufende Jahr 2022 wurden im 1. Quartal 2022 aufgrund der Ukraine-Krise zu irrelevantem Papier. Die völkerrechtswidrige militärische Eskalation Russlands in der Ukraine führte zu einer Sanktionsspirale seitens der meistens westlich orientierten Länder, die historisch einmalig ist und nicht nur gegen Russland wirkt, sondern Folgen für die gesamte Weltwirtschaft und zukünftige Weltpolitik mit sich bringt. Die Versorgungssicherheit mit elementaren Rohstoffen ist in Teilen nicht mehr gewährleistet oder steht zumindest infrage und die Frage der militärischen Sicherheit wird neu diskutiert und geplant.

Das Ergebnis dieser geopolitischen Krise wird weitreichende Folgen für alle Wirtschaftsräume der Welt mit sich bringen. Neue wirtschaftliche und/oder geopolitische Allianzen können vor dem Hintergrund der Versorgungsunsicherheit entstehen. Die „alten“ Allianzen, die Nato und die Kernländer der westlich geprägten Gemeinschaft gehen zunächst gestärkt aus dieser Krise hervor.

Status Quo: Bisherige Gewinner und Verlierer der Krise

Krisen wirken grundsätzlich disruptiv. Das gilt insbesondere für militärische Eskalationen, in denen Länder betroffen sind, die unverzichtbare Güter in der komplexen globalisierten Welt mit zumeist „just in time“ Lieferketten zur Verfügung stellen. Das ist derzeit mit Russland und der Ukraine der Fall. Die Reaktionen an den Rohstoff- und Aktienmärkten sind offensichtlicher Beleg. Der größte Verlierer ist die Ukraine, da der Konflikt auf dem Boden der Ukraine stattfindet. Menschenleben fallen diesem Konflikt zum Opfer. Wirtschaftsstrukturen werden zerstört. Perspektivlosigkeit greift Raum. Nachdem die Bevölkerung der Ukraine sich bei Gründung 1991 auf 52 Millionen Einwohner hochschnellte, lebten 2021 nur noch knapp 42 Millionen Menschen dort. Die aktuelle Flüchtlingsbewegung führt zu einer weiteren Reduktion. Insbesondere die jüngere Generation hat das Land verlassen. Seit 1991 kommt es damit zu einem „Brain-Drain“, der sich jetzt durch die aktuelle Krise verstärkt und das Potenzial des Landes beeinträchtigt.

Anzahl der Zuzüge und Fortzüge zwischen Deutschland und Russland, bzw. der Ukraine von 2000 bis 2021

Russland hat auf mehreren Ebenen deutlich an Boden verloren. Die „militärische Operation“ schadet dem Ansehen Russlands vor allen Dingen im Westen mit langfristigen politischen und wirtschaftlichen Folgen. Russland ist und wird vom Westen auf allen Ebenen isoliert. Das gilt vor allen Dingen für die Anbindung an das westliche Finanzsystem, was einen technischen Bankrott Russlands zur Folge haben kann. Diese westliche Sanktionspolitik führt zu hohen wirtschaftlichen Einbußen, aktuell und perspektivisch. Die Isolierung hinsichtlich der Weltwirtschaft ist jedoch nur partiell. Zum aktuellen Zeitpunkt verweigern sich unter anderem China, Indien, Vietnam, Pakistan, Iran, aber auch Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Israel neben Brasilien, Argentinien, Venezuela, Mexiko und Panama.

Das westliche Europa ist Verlierer dieser Entwicklung. Hinsichtlich der politischen Bedeutung haben sowohl die EU als auch die Nationalstaaten Kontinentaleuropas als ernst zu nehmende Teilnehmer in Konfliktlösungen an Boden verloren (u.a. Mangel an Umsetzung von Minsk II). Die Heterogenität innerhalb der EU (u. a. Visegrád) Rohstoffabhängigkeit, aber auch die militärische Abhängigkeit wirken sich kontraproduktiv aus. Durch Rohstoffinflation drohen markante Wohlstandsverluste gekoppelt mit Risiken für die politische Stabilität im innenpolitischen Raum. Die Themen Mangelversorgung (Energie/Rohstoffe), Verlust der Standortqualität für Investitionen, Stagflation und Rezession drängen sich auf.

Für China ergibt sich ein differenziertes Bild. Peking betonte, dass man felsenfest an der Seite Moskaus stünde und bot sich als Moderator der gegenwärtigen Krise an. Die Abschwächung der Weltwirtschaft und die Zunahme der Rohstoffinflation trifft auch China. Dieser Schaden ist im Hinblick auf das Negativpotenzial in Europa jedoch überschaubar. Die Rohstoffversorgung ist in China mangels Sanktionspolitik gegen Russland anders als in Europa gewährleistet. Eher wird China von Russland bei dem Einkauf wie bisher hinsichtlich der Weltmarktpreise bevorzugt, was zu einem Standortvorteil Chinas an den Weltmärkten führen kann oder führen wird.

Auch für die USA ergibt sich ein differenziertes Bild. Rohstoffinflation und geringere weltwirtschaftliche Dynamik werden in den USA ihren Preis fordern. Die USA sind jedoch anders als Europa geografisch nicht betroffen. Entsprechend werden die direkten negativen Folgen zunächst überschaubar bleiben. Die Energieabhängigkeit der USA von Russland ist explizit kaum vorhanden, implizit hinsichtlich der Preisentwicklungen dennoch gegeben. Politisch haben die USA an Boden gewonnen. Die Kernländer des Westens konnten auf eine Linie gebracht werden. Inwieweit die vom Westen verfügten Finanzsanktionen gegen Russland das westlich dominierte USD-Finanzsystem, auf dem der Machtanspruch der USA aufbaut, untergraben wird, bleibt abzuwarten. Die Wahrscheinlichkeit, dass bedeutende Länder, die für die Grundversorgung der Welt im Rohstoffsektor die Sanktionen nicht mittragen, aus purem Eigeninteresse sich alternativen Systemen öffnen (Vermeidung von Erpressungspotenzial), ist perspektivisch als erheblich einzuordnen.

Ärmere Länder unserer Welt werden von dieser Krise im Hinblick auf die Versorgung mit Agrargütern erheblich betroffen sein. Eine dauerhafte Fortsetzung der Ukraine-Krise garantiert eine nennenswerte Welthungerkrise, die auch alle anderen wirtschaftlichen Entwicklungen dieser Länder unterminiert und global destabilisierend wirken würde.
Als Fazit ist erkennbar, dass es keine Gewinner in dieser Krise gibt. Es gibt nur Länder oder Wirtschaftsräume, die mehr oder weniger betroffen sind. Diese Konstellation deutet darauf hin, dass das Interesse an diplomatischen Lösungen unter rationalen Gesichtspunkten dominieren sollte.

Inflation: Das ist und bleibt ungemütlich

Die Preisinflation wird durch die aktuelle Ukrainekrise verschärft und längerfristig anhalten. Zentralbanken werden bezüglich ihrer Zinspolitik vorsichtiger als bis zum 24. Februar 2022 angedacht agieren. Das gilt insbesondere für die US-Notenbank Federal Reserve System (Fed), deren duales Mandat die Federal Reserve nicht nur auf Preisstabilität, sondern auch auf ein auskömmliches Wachstum verpflichtet. Damit wird die Politik der westlichen Zentralbanken fortgesetzt, real negative Zinsen sowohl am Geld- als auch am Kapitalmarkt im nennenswerten Umfang zu verankern mit Kaufkraft- und Wohlstandsverlusten für die allgemeinen Bevölkerungen.

Entwicklung der Inflation, in den USA, Deutschland und EU

Aktienmärkte: Einbruch, was nun?

Die Krise führte zu erhöhter Risikoaversion an den Aktienmärkten. In den westlichen Ländern stach Europa mit den größten Verlusten heraus. Die Bewältigung aller anstehenden Aufgaben in vielfältigen Branchen, auch bedingt durch die aktuelle Krise, zwingt zu wirtschaftlicher Aktivität. 7,8 Milliarden Menschen müssen weltweit versorgt werden.
So führt die Krise dazu, dass der Westen sich schneller von fossilen Brennstoffen lösen wird. Das bedingt beispielsweise mehr Investitionen in alternative Energien, allen voran dem wind- und sonnenunabhängigen Wasserstoff. Abhängig von dem weiteren Verlauf der Krisensituation nimmt die Chance bezüglich der reduzierten Bewertungskoeffizienten grundsätzlich auf eine Bodenbildung an den internationalen Aktienmärkten zu. Sektoral gilt es zu unterscheiden, welche Branchen Preissetzungsmacht haben, um ergebnistechnisch nicht Inflationsopfer zu werden.

Fazit: Menschen, Wirtschaft und Märkte in der Hand der Politik

Die im 1. Quartal 2022 entstandene Krisen- und Risikosituation ist ein „Game Changer“. Die hohen Unsicherheiten, die generiert wurden, lassen sich moderieren, jedoch kurz- und mittelfristig nicht neutralisieren. Massive globale Verluste und Schäden wurden generiert (Menschenleben, Kaufkraft, Bewertungen). Fortgesetzte Eskalation, ob von Russland oder dem Rest der Welt, würden zusätzlich belasten. Rationalität und Diplomatie wären Mittel, dieses Szenario zu entschärfen. Die Menschheit, die Wirtschaft und die Märkte sind wie selten zuvor in der Hand der Politik.

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