Montag, 20. Dezember 2021

Ausblick 2022 – Chancen und Risiken im Überblick

 Das Jahr 2021 neigt sich dem Ende zu. Zum Jahresschluss herrscht auf medialer und politischer Ebene und an Finanzmärkten begrenzte Zuversicht für die nähere Zukunft. Risikowahrnehmung ist durch die Themen Corona, Inflation, Zinspolitik, Stagflation, Staatsdefizite und geopolitische Risiken bestimmt.

Corona: Ein Überblick

Das Thema Corona wird die Welt auch 2022 bewegen. Wird in eine Pandemie hineingeimpft, werden Mutationen ausgelöst. Derzeit belastet die Corona-Mutante-Omikron. Saisonal ergeben sich in den kalten Jahreszeiten verschärfte Infektionsszenarien, die sich durch Gegenmaßnahmen und dem jahreszeitlichen Wechsel abschwächen werden. Mutationen schwächen sich in ihrer Gefährlichkeit im Zeitverlauf grundsätzlich ab. Ausnahmen bestätigen die Regel. Entsprechend ist verantwortliches Handeln gefragt. Pandemien sind nachweislich endliche Herausforderungen. Per 1. Dezember 2021 ergab sich global laut WHO folgendes Bild:

WHO Corona Pandemie

Bezüglich der Sterblichkeit bietet die WHO eine globale Darstellung kombiniert mit den Inzidenzen an. Es ist erkennbar, dass trotz steigender Inzidenz auf globaler Ebene, die Sterblichkeit stabil ist. Das bestätigt den Wirkungsmechanismus der beschlossenen Maßnahmen.

Globale Corona Statistik

Die Daten und Maßnahmen deuten keine dauerhafte Verschärfung der Krisensituation an.

Inflation: Basiseffekte und Kernrate

Die Preisinflation erreicht derzeit die höchsten Niveaus seit mehreren Jahrzehnten. Sie fällt höher aus als prognostiziert. In dem Euro-Raum betrug der Anstieg der Verbraucherpreise im letzten Monat 4,9 Prozent und in den USA 6,2 Prozent im Jahresvergleich.

Dieser Preisanstieg wird durch mehrere Treiber getragen. Die derzeitigen Lieferengpässe werden laut Expertenmeinung noch bis in das 2. Halbjahr 2022 Inflationsakzente setzen. Eine wichtige Größe stellen Rohstoffpreise dar (u.a. fossile Brennstoffträger). Der im Vorjahr stattgefundene Einbruch dieser Preise durch die Corona-Pandemie verstärkt die Basiseffekte. Im Jahr 2022 fallen die Basiseffekte mit hoher Wahrscheinlichkeit aus und dürften die inflationäre Gesamtsituation entspannen. Ob der aktuelle Einbruch der Rohstoffpreise (siehe Chart) zusätzlich eine dauerhafte Entspannungsindikation darstellt, ist ungewiss.

CRB Rohstoffpreisindex Entwicklung

Nach der quantitativen Analyse schauen wir auf die qualitative Analyse der Preisentwicklung. Eine Zentralbank kann nicht direkt Rohstoffpreise oder globale Lieferketten beeinflussen. Zentralbanken müssen auf die Inflationsquellen innerhalb der Volkswirtschaft reagieren. Die werden von der Kernrate der Verbraucherpreise abgebildet. Sie legte im Euro-Raum zuletzt auf 2,6 Prozent zu, deutlich unter der Gesamtrate (4,9 Prozent). Die Wahrscheinlichkeit, dass im Zeitfenster des 4. Quartals 2021 die Spitzen der Inflationsentwicklung erreicht werden, ist hoch.

Die Verringerung der Anleiheankäufe durch die Zentralbanken, die in den USA begonnen hat, wird zeitversetzt global fortschreiten und kann als ein Indiz einer Stabilisierung gewertet werden. Das Thema Zinserhöhungen kann im 2. Halbjahr 2022 greifen. Diese Schritte wären kein Trendwechsel der repressiven Zentralbankpolitik, sondern sie wären Ausdruck eines erhöhten Inflationsbilds um 0,5 Prozent - 1,0 Prozent (Vergleich zu vor sechs Monaten) im Rahmen einer Parallelverschiebung Inflation/Zins. Real negative Zinsen werden am westlichen Geldmarkt und in weiten Teilen des Kapitalmarktes bestimmend bleiben. Eine Trendwende der repressiven westlichen Zentralbankpolitik ist nicht erkennbar.

Stagflation: Eine Bewertung

Im 3. Quartal 2021 wurde der Begriff Stagflation diskutiert. Eine Stagflation definiert eine Situation eines Währungsraumes, in der wirtschaftliche Stagnation und Inflation als auch abnehmende Beschäftigung miteinander einhergehen.

Die Weltwirtschaft wächst gemäß Prognosen des IWF 2021 mit 5,9 Prozent und 2022 mit 4,9 Prozent über ihrem Potenzial. Globale Arbeitsmärkte entwickeln sich positiv. Lohnsummen als auch Kaufkraft steigen und Sozialsysteme werden entlastet. Im Euro-Raum nähert sich die Arbeitslosenrate mit 7,3 Prozent dem niedrigsten Wert in der Gesamthistorie bei 7,1 Prozent (2008). Die Inflation ist Ausdruck erhöhter Nachfrage (Lieferengpässe). Der Index des deutschen Auftragseingangs hat im letzten Berichtsmonat den höchsten Wert in der Geschichte dieses Index geliefert, der mehr als 20 Prozent oberhalb des Niveaus vor Ausbruch der Corona-Krise liegt. Die aktuelle und weltweit prognostizierte Entwicklung steht in keinem Zusammenhang mit Inhalten der Stagflation.

Staatsdefizite: Bruttoschulden/Schuldentragfähigkeit

Im Zuge der Corona-Krise sind die Staatsdefizite angeschwollen. Das ist hinsichtlich einer Bruttoschuldenbetrachtung kritisch. Entscheidender ist die Schuldentragfähigkeit. Die hat sich nicht verschlechtert, da die Zinsniveaus niedrig sind. Japans gute Bonität (S&P Rating A+) trotz Bruttoschulden in Höhe von circa 240Prozent des BIP belegt, dass Schuldentragfähigkeit die entscheidende Größe ist. Staatsdefizite sind mit einer durchschnittlichen Laufzeit von 7 - 8 Jahren finanziert. Alte Schulden mit höheren Zinsen wurden und werden mit Neuemissionen mit niedrigerem Zins refinanziert. Neuschulden werden mit Niedrigzins aufgenommen. Die Schuldentragfähigkeit erlaubt trotz hoher Bruttoschulden die Umsetzung der geplanten Wirtschaftsprogramme. Auf Sicht der kommenden 12 - 18 Monate ergibt sich aus der Entwicklung der Staatsdefizite mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Krisenpotential für die Weltwirtschaft und die Finanzmärkte.

Geopolitische Risiken

Die geopolitischen Risiken bleiben 2022 und darüber hinaus erhalten. Ein heißer Krieg ist mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht auf der Agenda. Dafür sind die internationalen Abhängigkeiten (u.a. elementare Rohstoffe) von Russland und China zu ausgeprägt. Auch ist das Niveau der Wehrtechnik sowohl in Russland als auch in China auf einem Plateau, das für den Westen zu viele Risiken mit sich brächte. Die Machtauseinandersetzungen werden sich jedoch fortsetzen. Sie schränken ökonomische Potenziale ein. Bei Entspannung eröffneten sich weltweit durch Multiplikatoreffekte deutlich erhöhte Wachstums- und Wohlstandschancen.

Wirtschaft und Märkte 2022

Die positive Grundtendenz sollte in der Weltwirtschaft anhalten. So erwartet der IWF 2022 ein globales Wachstum in Höhe von 4,9 Prozent. Das BIP der USA soll um 4,9 Prozent, das des Euro-Raums um 4,3 Prozent und das Chinas um 5,7 Prozent steigen. Die global aufgesetzten und noch nicht umgesetzten Wirtschaftsprogramme bieten über 2022 hinaus positive Wachstumsperspektiven für die Weltwirtschaft und die globalen Aktienmärkte, denn diese Programme müssen durch Unternehmen umgesetzt werden.

Auch die politischen Maßnahmen, die global verfügt werden, um Klimaschutzziele zu erreichen, zwingen Unternehmen in Neuinvestitionen, die weitere Wachstumsimpulse liefern werden. Neben den zu erwartenden positiven Impulsen aus dem Investitionssektor ergeben sich durch absehbar starke Arbeitsmärkte Lohnsummeneffekte, die auf den internationalen Konsum positiv durchwirken.

Die zuvor dargestellten Risiken sind im kommenden Jahr geeignet, der globalen Wirtschaft zeitlich begrenzt Dellen zuzufügen und Märkte in zeitlich begrenzte Korrekturen zu zwingen. Der positive Grundtenor für Ökonomie und Aktienmärkte bleibt mit hoher Wahrscheinlichkeit erhalten.

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Quelle: Folker Hellmeyer

Donnerstag, 16. Dezember 2021

Anlagekommentar November 2021 - Rohstoffe treiben die Inflation und die Energiemärkte befinden sich im Ausnahmezustand

 

In Europa ist Erdgas derzeit ein knappes Gut, wodurch es zu massiven Preisanstiegen gekommen ist. Aufgrund von Störungen bei Zulieferern aus Russland und Norwegen, welche fast die Hälfte des europäischen Erdgases liefern, konnten die nach dem letzten kalten Winter geleerten Gaslager nicht wieder wunschgemäß aufgefüllt werden. Gleichzeitig stieg die Nachfrage wegen eines geringen Windaufkommens. Auch auf globaler Ebene ist eine außergewöhnliche Konstellation temporärer Faktoren, beispielsweise überschwemmte Kohle-Bergwerke in China, wenig Hydroelektrizität in Brasilien als Folge geringer Niederschläge eine weitere Ursache für die Anspannung der Energiemärkte.

Die Energienachfrage sinkt selbst kurzfristig bei den stark steigenden Preisen nur wenig, da der aktuelle Bedarf, z.B. für Heizung, Mobilität und in der Industrie weitgehend groß ist. Somit kann schon ein geringes Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage zu enormen Preisschwankungen führen. Die Politik versucht zwar derzeit, Engpässen entgegenzuwirken, dennoch können Kursausschläge nach oben wesentlich größer ausfallen als Kursrückschläge. Die Energiewende ist bei Öl- und Gasunternehmen mit erheblichen Unsicherheiten verbunden, weshalb in den letzten Jahren außerordentlich wenig in neue Förderkapazitäten investiert wurde. Bei einem weiter steigenden Bedarf, dürften die Risiken von Preisausschlägen bei Erdöl und Erdgas in den kommenden Jahren vergleichsweise hoch bleiben.

Entwicklung der Anlagemärkte im November 2021

Obwohl der November 2021 ein eher ruhiger Börsenmonat war, musste er zum Monatsende eine leichte Marktkorrektur nach unten verkraften. So schaffte der globale Anlageindizes MSCI World Index (EUR) nur +0,5 Prozent Zuwachs. Bei den amerikanischen Anlageindizes gab es ein gegensätzliches Bild, der S&P 500 Index ging um -0,8 Prozent nach unten und der NASDAQ 100 Index schaffte +1,8 Prozent Zuwachs. Die europäischen Werte mussten geschlossen Federn lassen. Der deutsche DAX Index ging mit -3,4 Prozent, der Eurostoxx 50 Index mit -4,4 Prozent und der britische FTSE 100 Index mit -2,5 Prozent nach unten. Auch der japanische NIKKEI 225 Index konnte sich dem Abwärtstrend nicht entziehen musste mit -3,7 Prozent einen weiteren Rückgang zum Vormonat verkraften.

DAX Entwicklung

Die Rentenmärkte leiden weiter unter der Niedrigzins-Phase. Hier sorgte lediglich die Federal Reserve System (Fed) mit der weiter verfolgten Abkehr der bisherigen Zinspolitik für klare Positionen. Die Europäische Zentralbank (EZB) bleibt dagegen auf ihrem bisherigen Kurs. Im Rohstoffbereich ging beispielsweise der Rohölpreis von seinen Höchstständen Ende Oktober 2021 wieder deutlich zurück. Auch der Goldpreis war vom weltweiten Anziehen der Inflationsraten völlig unbeeindruckt und hat sich kaum verändert. Ähnliches gilt auch für die wichtigen Industriemetalle. Insgesamt passierte an dem Rohstoffmarkt im November 2021 relativ wenig und wirkte eher richtungslos.

Ausblick auf die zukünftige Kapitalmarktentwicklung

Für die Kapitalmärkte bleibt die wirtschaftliche Normalisierung das Kernthema. Dies impliziert eine positive Grundtendenz. Nach der ausgeprägten Aktien-Rallye seit den ersten Lockdowns 2020 stehen in den kommenden sechs bis zwölf Monaten sicherlich tiefere Erträge an, da sich weder Wirtschaft noch Börsen in der Frühphase der Erholung befinden. Damit sind auch eher Korrekturen zu erwarten, wobei Rückschläge als Einstiegsmöglichkeit genutzt werden können. Zu den Chancen gehört derzeit ein besseres konjunkturelles Momentum, als Folge gesunkener Corona-Fallzahlen in den USA und einer in den letzten Wochen markant erhöhten Impfrate im aufstrebenden Asien. Seit Monaten gibt es  angebotsseitige Störungen, wie ein starker Anstieg der Erdgaspreise, Engpässe und Lieferverzögerungen bei Komponenten, Zwischenprodukten und im Transportwesen, was die Weltwirtschaft insgesamt und ausgewählte Unternehmen belasten. Allerdings werden die positiven Grundtrends dadurch nicht in Frage gestellt.

Auch die gestiegenen Inflationsraten haben bisher die Kapitalmärkte nur wenig beeindruckt. Bezüglich US-Staatsfinanzen muss am 3. Dezember 2021 das Budget unter Dach und Fach sein, damit kein Government-Shutdown droht. Etwa zur gleichen Zeit muss auch die Schuldenobergrenze erhöht werden, was für den Erhalt der Zahlungsfähigkeit der USA unabdingbar ist. Demgegenüber dürften Steuererhöhungen für Unternehmen nicht länger Teil eines Budget-Deals sein. In der Summe bleibt die Anlagestrategie weiter vorwiegend auf Aktien und Unternehmensanleihen ausgerichtet. Regional sollte man aktienseitig auf Europa und die USA weiterhin fokussiert bleiben. Die Risiken im aufstrebenden Asien haben abgenommen, auch was die Marktstimmung betrifft. Dadurch kann man dort in den kommenden Monaten mit einem ähnliches Ertragsprofil wie in westlichen Industrieländern rechnen.

Anlagemärkte Entwicklung

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Die Entwicklungen bzw. Endbeträge und Volatilitäten werden auf EUR-Basis berechnet.
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Externe Quellen:

  • Kategorie-Durchschnitte: monatliche Berechnung durch EDISOFT GmbH über das Fondsuniversum der FVBS-Datenbank
  • Zinsen (Festgeld, Sparbuch): monatliche Durchschnittswerte der Dt. Bundesbank aus Meldungen deutscher Kreditinstitute
  • Inflation: monatliche Zahlen des Statistischen Bundesamts
  • Goldpreis: offizieller Feinunzen-Preis/London

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Freitag, 3. Dezember 2021

DAX 40 - Eine Revolution oder ein Rohrkrepierer?

 Der deutsche Leitindex musste trotz guter Performance immer wieder Kritik einstecken, nun soll mit dem neuen DAX 40 alles besser werden. Doch hatte das Börsenbarometer im internationalen Vergleich überhaupt solche Defizite? Und was bringen die Neuerungen für Anleger?

Wie der DAX gern verunglimpft wird

Was wurde nicht alles gelästert über den deutschen Leitindex? Angefangen bei der Namensgebung: Der zunächst favorisierte Vorschlag KISS, das Akronym von KursInformationSSystem, löste 1988 bei der Financial Times solch beißenden Spott aus, dass die Verantwortlichen in Frankfurt es damals vorzogen, ihre Wahl noch einmal zu überdenken. Der Legende nach soll dann ein Banker beim Spazieren mit seinem Dackel - englisch dachshund - die zündende Idee zum DAX gehabt haben.

„In Wahrheit ein Tummelplatz für Sin Stock“

Auch Anlass zu substantieller Kritik bot das deutsche Börsenbarometer seitdem reichlich. So dürften die Stichworte Dieselgate, Libor-Skandal oder Schienenkartell vielen noch geläufig sein, allerdings schon halb verdrängt durch den alles überschattenden Fall Wirecard. Diese und weitere Beispiele nährten den Verdacht, so Kai Lehmann in seiner Analyse „Der DAX: Leit- oder Leidindex?“ für das Flossbach von Storch Research Institute aus dem vergangenen Jahr, der vermeintliche Börsenolymp sei in Wahrheit „ein Tummelplatz für Sin Stock“.

 

Handelssaal Börse Frankfurt

Neben krassen Verfehlungen in Sachen Good Governance verfolgt den DAX zudem hartnäckig „[d]er Mythos vom Verlierer-Index“, wie „DIE WELT“ (17.08.2021) in einer Auswertung der langfristigen Performance schreibt. Das Spiegelbild der deutschen Wirtschaft enthalte für die Schar der Kritiker neben einem Kapitalvernichter, einem Restrukturierungsfall und einem gefallenen Börsenstar vor allem wenig profitable Konzerne mit gestrigen Geschäftsmodellen, unterm Strich „eine Riege von Problemunternehmen“.

Bei näherer Betrachtung halten viele dieser Kritikpunkte einer Überprüfung jedoch nicht stand, denn die Zahlen sprechen eine ganz andere Sprache. Vor allem bei der langfristigen Performance muss sich der DAX im Konzert der wichtigsten europäischen Indizes absolut nicht verstecken. Lässt man für gleiche Bedingungen die Dividenden, die der DAX-Performance-Index automatisch als reinvestiert wertet, auch bei SMI, FTSE 100 & Co. in die Betrachtung einfließen, zeigt sich: Über einen Zeitraum von zehn Jahren (Stand 1. September 2021) muss sich der DAX in Sachen Performance nur dem Schweizer SMI geschlagen geben, wobei der eidgenössische Index sich zuletzt mit einem Wertzuwachs von knapp 211 Prozent vom DAX mit 185 Prozent absetzen konnte.

Wertentwicklung ausgewählter europäischer Aktienindizes
Da schau her: Im Kanon der europäischen Leitdindizes muss sich der DAX in Sachen Performance über den Betrachtungszeitraum von zehn Jahren (Stand 1. September 2021) nur dem Schweizer SMI geschlagen geben, führt aber das Feld der Verfolger an. Währenddessen haben Indizes wie der britische FTSE 100, die gemeinhin als dynamischer wahrgenommen werden, im direkten Vergleich das Nachsehen.

DAX an der Spitze des Verfolgerfelds

Anschluss an den DAX als direkter SMI-Verfolger hält noch der französische CAC 40 mit einem Plus von rund 168 Prozent, während sein italienisches Pendant, der FTSE MIB, mit 141 Prozent schon den Anschluss verliert. Noch einmal deutlich dahinter reiht sich der britische FTSE 100 mit knapp 103 Prozent Wertsteigerung ein. Weit abgeschlagen rangiert der spanische IBEX 35, der über zehn Jahre kaum 50 Prozent Plus verzeichnet hat.

Eine ähnliche Verteilung zeigt sich in dem von Lehmann betrachteten Zeitraum auch bei den Wachstumsraten der in den Indizes enthaltenen Konzerne: So bewegt sich das Wachstum der aggregierten Umsatzerlöse der Schweizer Unternehmen (2,5 Prozent) mit jenem der deutschen (2,4 Prozent) auf ähnlichem Niveau und danach kommt lange nichts.

Aus DAX-Sicht noch erfreulicher die Situation beim durchschnittlichen Gewinnwachstum: Das beschreibt Lehmann im Fall der italienischen und französischen Raten von 1,0 Prozent bzw. 0,6 Prozent treffend als „anämisch“, von den spanischen und britischen Konzernen, bei denen das Gewinnwachstum sogar rückläufig war, ganz zu schweigen. Mit 2,6 Prozent wesentlich besser in dieser Disziplin unterwegs sind die eidgenössischen Unternehmen, während sich die deutschen mit 3,1 Prozent p.a. an die Spitze des Vergleichs setzen können. Nicht schlecht für „eine Riege von Problemunternehmen“ möchte man meinen.

Die Revolution bleibt vorerst aus

Fernab revolutionärer Bestrebungen tragen die nun durchgeführten Reformen zum DAX 40 denn auch eher die Züge einer behutsamen Modellpflege mit nachholendem Charakter, eines Neustarts mit externer Signalwirkung, der den Wirecard-Skandal symbolisch hinter sich lassen soll, nach dem Motto: „Seht her, wir haben daraus gelernt!“. Wenn die Unternehmen künftig fristgerecht testierte Zahlen vorlegen oder ihr rechtskonformes Handeln durch einen Prüfungsausschuss belegen müssen, wird dies krimineller Energie wie im Fall Wirecard sicher auch künftig kaum Einhalt gebieten, entspricht aber nun internationalen Standards. Und auch die gestärkte Marktkapitalisierung, die jetzt entscheidendes Kriterium für die Aufnahme in den DAX ist, reflektiert bloß aktuelle Gepflogenheiten, während die aus der Zeit gefallene Größe des Handelsumsatzes entfällt. Das stattdessen geforderte Mindesthandelsvolumen dürfte in der Praxis ebenfalls kaum eine Rolle spielen.

DAX Entwicklung

Schon praxisnäher ist das künftig erforderliche positive EBITDA, also das Konzernergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen. Mit ihm müssen die Unternehmen in den vorangegangenen zwei Jahren im Plus gelegen haben, um DAX-40-Aspirant zu werden. Die Maßnahme gilt als Konsequenz aus den Erfahrungen mit Delivery Hero: Der Lieferdienst verzeichnet, da er Wachstum über Profit stellt, fortgesetzt Anlaufverluste und kann bislang kein positives Geschäftsjahr vorweisen.

Ebenfalls angepasst wurde der Turnus, in dem die neuen Kriterien überprüft werden. Das geschieht nun halbjährlich statt wie bisher alle zwölf Monate. Zusätzlich sollen sogenannte fast-entry- beziehungsweise fast-exit-Regeln für zügigeren DAX-Ein- oder -Ausstieg von Unternehmen sorgen. Hier überprüfen die Verantwortlichen zum Ende jedes Quartals in einem Schnellverfahren, ob es nach Börsenwert Auf- oder Abstiegskandidaten gibt.

Etwas mehr von dem Zauber, der bekanntlich jedem Anfang innewohnt, bringen die zehn Neuen mit: Mit Airbus und Brenntag stammen zwei aus dem Segment Industriegüter, vier kommen mit HelloFresh, Puma, Zalando, Porsche aus dem Bereich zyklischer Konsum. Mit Siemens Healthineers, Sartorius und Qiagen verstärken drei den Sektor Gesundheitswesen, während Symrise den Bereich Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe vertritt.

Die Struktur des DAX ändern sie mit ihrem Anteil von etwa 17 Prozent an der gesamten Marktkapitalisierung des Leitindex nur wenig: Healthcare kann sich vor den Sektor Materialien setzen und rangiert nun knapp hinter dem verarbeitenden Gewerbe, das größte Stück vom Kuchen macht aber weiterhin zyklischer Konsum vor Industriegütern aus.

Warum der MDAX das Nachsehen hat

Auch wenn der ganz große Wurf also ausgeblieben ist, ist die DAX-Reform doch gewiss kein Rohrkrepierer, sondern bietet Anlegern verschiedene Vorteile: Zuallererst rückt der Neustart den DAX auch international wieder stärker ins Blickfeld von Investoren und macht ihn als Benchmark attraktiver. Dabei dürften sich nicht nur Anleger über ihr breiter diversifiziertes Portfolio freuen, auch Fondsmanager haben jetzt mehr Möglichkeiten, die Vorteile aktiven Managements unter Beweis zu stellen.

Darüber hinaus erwarten Beobachter von den international meist gut aufgestellten Neuzugängen deutliche Wachstumsimpulse, während der digitale Wandel zahlreicher Vertreter der Old Economy im Index auf gutem Wege ist und ebenfalls neue Wachstumschancen birgt. Als Leidtragender dieser Entwicklung gilt der MDAX, der mit den zehn Neuen seine dicksten Brocken ersatzlos an den DAX verliert und so nur noch 50 Titel umfasst. Ob und wie der DAX 40 letztlich davon wird profitieren können, muss sich natürlich zeigen. Ein gutes Zeichen für die Fortsetzung als Erfolgsgeschichte ist das neue Rekordhoch von 16.064 Punkten Anfang des Monats aber allemal.

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